Als der Turnverein Wil am 7. August 1915 gegründet wird, ist Wil noch ein reines, idyllisches Bauerndorf. Man kennt jeden Einwohner mit Namen und teilt Freud und Leid zusammen.


Diese Dorfgemeinschaft kann man auch an ihrem regen Vereinsleben erkennen. Die Schützen treffen sich bereits seit vielen Jahren regelmässig und bilden den stärksten Verein im Dorf. Auch die Sangeskunst ist grossgeschrieben der Männerchor kann auf viele Mitglieder zählen. Die Dorfschönheiten haben sich ebenfalls in einem Verein organisiert. Wer etwas auf sich hält geht in den Töchterchor.

Der Turnverein hat seinen Ursprung im turnerischen Vorunterricht, welcher die jungen Männer auf ihren künftigen Militärdienst vorbereiten soll. In diesem Vorunterricht können sie sich die nötige Fitness und körperliche Härte aneignen, die sie in der Armee sicher gut gebrauchen können.

Als dann 1914 der zweite Weltkrieg ausbricht, werden die wehrfähigen Wilemer Männer abkommandiert und die noch nicht dienstpflichtigen Jünglinge haben die Pflicht, am turnerischen Vorunterricht teilzunehmen.

Der eigentliche Gründer des Turnvereines ist Karl Biedermann. Am 7. August 1915 wird die Gründungsversammlung im Schulhaus Wil abgehalten. Karl Biedermann orientiert an diesem Abend über die Ideale und Ziele eines Turners.

Zwanzig Turner treten dem Turnverein bei. Gleichzeitig wird an dieser ersten Sitzung auch der Beitritt zum Kantonalturnverein, zum Glatt- und Limmattalverband und zum Eidgenössischen Turnverein beschlossen.

Der Vorstand, sowie ein Vorturner sind schnell gewählt. Auf Ordnung und Disziplin wird grosser Wert gelegt. So ist im Gründungsprotokoll wörtlich nachzulesen: „Es wird ein pünktliches Erscheinen verlangt. Während der Turnstunden ist Ruhe und Ordnung zu handhaben. Unanständiges Benehmen gegen irgend ein Mitglied wird streng bestraft. Das Rauchen im Turnlokal ist verboten. Gegen Zivilpersonen soll grösste Freundlichkeit herrschen, besonders gegen unsere Gemeindebewohner. Streitigkeiten eines Turners mit einem Turnkollegen oder anderen Personen kann Ausschliessung zur Folge haben.„

Zuerst werden die Turnstunden in einer Scheune durchgeführt. Noch stehen nur ganz wenige Turngeräte zur Verfügung. Die Anschaffung eines Recks wird vom Kantonalturnverein mit Fr. 80.-- subventioniert. Andere Turngeräte müssen von Nachbarsektionen ausgeliehen werden. Erst im Jahre 1916 kann ein Barren und im folgenden Jahr ein Turnpferd aus eigenen Mitteln angeschafft werden.

Im Dorf wird der neue Verein natürlich mit Argusaugen betrachtet. Die einen machen sich über das „neumodische Hampeln„, wie sie es nennen, lustig und geben dem Verein kein einziges Jahr Lebensdauer. Trotzdem kann der Turnverein bereits auf eine stattliche Anzahl Passivmitglieder zählen, welche den Verein unterstützen.

Als erstes grosses Ereignis wird am 17. Oktober 1915 eine Turnfahrt organisiert. Im gleichen Jahr studiert der Turnverein zusammen mit dem Töchterchor ein Theater ein. Im Jahre 1916 nimmt der Turnverein erstmals an einem Verbandsturnfest in Albisrieden teil, an welchem die Turner erfolgreich abschneiden. Beeindruckt von diesem grossen Turnfest und beflügelt durch den eigenen Erfolg beschliesst die Versammlung ein Schauturnen in der eigenen Gemeinde durchzuführen. Zwölf Sektionen mit insgesamt rund 220 Turner leisten der Einladung folge und vermögen die Wilemer und Wilemerinnen mit Ihren Vorführungen zu begeistern. Unter dem Strich bleibt den wackeren Turnern allerdings nicht mehr viel übrig. Doch für das Image des jungen Vereines konnte viel getan werden.

Leider ist das nächste Jahr durch viele militärische Absenzen gekennzeichnet. Auf die Teilnahme an einem Turnfest muss mangels Turner verzichtet werden. Hingegen werden zwei ganztägige Turnfahrten für die Bevölkerung durchgeführt. Für jeden Turner war zu dieser Zeit die Teilnahme obligatorisch. Wer ohne triftigen Grund fernblieb, musste eine saftige Busse bezahlen.

Die Theateraufführung zusammen mit dem Töchterchor bringt leider nicht den gewünschten Publikumerfolg, sondern einen merklichen Rückschlag für die Vereinskasse.

Am 12. Mai 1918 kann unser Nachbarverein Hüntwangen eine eigene Vereinsfahne weihen. Natürlich sind auch die Wilemer Turner bei diesem Ereignis eingeladen. Und dazwischen wird eifrig trainiert und geübt, denn mit dem Kantonalturnfest in Kloten steht das zweite grosse Turnfest auf dem Programm. Die Anstrengungen sollten belohnt werden. Stolz kehren die Turner nach Wil zurück, wo sie von der übrigen Bevölkerung empfangen werden.

Im ersten Friedensjahr findet in Bülach das Glatt- und Limmattalturnfest statt. Mit einem geschmückten Pferdewagen fahren die Turner zusammen nach Bülach. Auch ein Schauturnen in Hüntwangen steht kurz darauf auf dem Programm. Im selben Jahr wird ebenfalls die neue Rheinbrücke in Eglisau für den Verkehr freigegeben. An diesem denkwürdigen Ereignis dürfen unsere Turner natürlich nicht fehlen.

Doch bei all diesen Feierlichkeiten wird den Wilemer Turnern bewusst, das ihnen eine Vereinsfahne fehlt. Flugs wird deshalb eine Fahnenkommission bestimmt, welche verschiedene Vorschläge für das Sujet sowie einen Finanzierungsplan aufzustellen hat. Am 25. April 1920 ist es dann soweit. Auf dem Dorfplatz kann die neue Vereinsfahne, welche übrigens auch noch heute die unsere ist, eingeweiht werden. Über zweitausend Personen haben sich an diesem schönen Frühlingstag zusammengefunden um dieses Ereignis würdig zu feiern. „Unser Verein steht heute fest und stark da, möge uns dieses Jahr der erste Lorbeerkranz aus dem Wettkampf heimbegleiten.„ Mit diesen Worten eröffnet der damalige Vereinspräsident seine Festrede. Die Anschaffung der Vereinsfahne ist durch Haussammlungen in der Gemeinde, hauptsächlich aber durch einen grosszügigen Betrag der Gemeinde Wil, finanziert worden.

Am Kantonalturnfest in Rüti geht der Wunsch des Präsidenten dann in Erfüllung. Der erste Lorbeer kann an die Vereinsfahne geheftet werden. Ein erfolgreiches Chränzli schliesslich bildet den Abschluss eines ereignisreichen Jahres.

Ein Jahr später findet das Verbandsturnfest in Altstetten statt. Auch hier wird eine der begehrten Lorbeerkränze ergattert. Diesmal werden die Turner vom Töchterchor am Bahnhof abgeholt.

Zuversichtlich reisen die Turner an ihr erstes Eidg. Turnfest nach St.Gallen. Wiederum können die Turner mit einer geschmückten Fahne nach Wil heimkehren. Nicht den gewünschten Erfolg bringt das Kantonale 1923 in Oerlikon. Doch als Rafz 1924 den Auftrag erhält, das Verbandsfest durchzuführen, wird der Einsatz der Wilemer Turner wiederum mit einem Kranz gekrönt. Auch am Eidgenössischen Turnfest in Genf ist der Turnverein wieder mit von der Partie. Hier werden erstmals einheitliche Turntenüs getragen.

In den Jahren 1926 bis 1930 befindet sich der Turnverein in einem „Wechselbad„ Es werden zwar verschiedene Turnfeste besucht, aber ohne nennenswerte Erfolge. Auf die Teilnahme am Eidgenössischen Turnfest wird mangels Beteiligung verzichtet. In dieser Zeit fällt auch die Umstellung von den militärischen, steifen Vorführungen zu den Freiübungen, welche viel lockerer und geschmeidiger vorgetragen werden können. Und prompt kehren sie mit einem Kranz vom Verbandsturnfest aus Dietikon zurück. Dieser Erfolg war für den Turnverein immens wichtig und im Protokoll der nächsten Versammlung ist vermerkt: „Es war geradezu eine Freude, die jungen Mannen singend und jauchzend ins Dorf einmarschieren zu sehen.„1932 feiert der Eidgenössische Turnverein sein 100jähriges Bestehen. Auch an diesem Jubiläumsturnfest sind unsere wackeren Turner vertreten.

Um die magere Vereinskasse wieder etwas zu sanieren, werden einmal mehr die Gemeindewiesen vom Turnverein geheuet. Ein immer willkommener Zustupf für die Kasse. Am Kantonalturnfest in Küsnacht 1934 erringt die Sektion einen sehr schönen Erfolg.

Im Jahre 1936 hat der Turnverein Wil auch schon seinen ersten Sponsor gefunden. In Winterthur am Eidgenössischen ist jeder Turner stolzer Besitzer eines „niegelnagelneuen„ Strohhutes, welcher die Firma Ritz in Hüntwangen spendiert hat.

Im Jahre 1936 hat sich der Turnverein Wil auch erstmals um die Durchführung eines Kantonalen Nationalturnertages beworben, doch wurde dem Begehren von der Delegiertenversammlung nicht stattgegeben. Ein Jahr später ist es aber soweit, Wil ist als Austragungsort des 6. Kantonalen Nationalturnertages vorgesehen. Was jetzt passiert, ist schon beeindruckend. Wenn man die Wilemer braucht, sind sie da. Vom Erstklässler bis zum Senior ist das ganze Dorf auf den Beinen. Jedermann nimmt Anteil an diesem grossen Ereignis. Mit grossem Engagement werden die Vorbereitungen getroffen. Und es hat sich gelohnt. Dem Nationalturnertag ist ein voller Erfolg beschieden. Der erzielte Gewinn hilft der schwachen Vereinskasse wieder etwas auf die Beine.

Im Jahre 1939 bricht während der Landi der zweite Weltkrieg aus. Im August werden die meisten Wilemer Turner an die Grenze gerufen. Die Vereinstätigkeit muss bis auf weiteres stillgelegt werden.

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